Gewaltfreiheit

Gewaltfreiheit


In den Aufrufen und Erklärungen einschlägiger Gewaltfreier Organisationen fällt die Hervorhebung der Begriffs „gewaltfrei“ durch inflationären Gebrauch ins Auge. Hierdurch wird ein Gegensatz aufgebaut zwischen „gewaltfrei“ (gut) und „nicht gewaltfrei“ (böse), mit dem sich „Gewaltfreie“ von anderen Protest- und Widerstandsbewegungen bewusst abgrenzen. So kommt es, dass Argumentationsmuster in Presseerklärungen der „Gewaltfreien“ denen der Polizei, welche ebenfalls häufig den „größtenteils friedlichen Verlauf“ politischer Aktionen lobt, sehr ähnlich sind – wobei „gewaltfrei“ und „friedlich“ jeweils willkürlich und alles andere als widerspruchsfrei festgelegt werden. Die Anbiederung der Gewaltfreien an die Repressionsbehörden geht sogar bis hin zu Aussagen wie „Ziviler Ungehorsam [impliziere] gerade die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft“. Wie kann denn bitte eine Zusammenarbeit mit den ausführenden Organen des staatlichen Gewaltmonopols „gewaltfrei“ sein??

Petzen


Soweit diese Auffassung nur eine persönliche Gewissensentscheidung darstellt, ist das für mich völlig okay. Aber ich finde es absolut inakzeptabel, dass einige „Gewaltfreie“ sich eine autoritäre Definitionshoheit über die Begriffe „Gewaltfreiheit“ und „Ziviler Ungehorsam“ anmaßen. Das geht sogar bis hin zum Verpetzen von Aktivist_Innen an die Repressionsbehörden – mit folgendem Argumentationsschema: Wir handeln ausschließlich gewaltfrei. Das bedeutet, dass wir öffentlich zu unseren Aktionen stehen und vor Gericht und vor der Öffentlichkeit die volle Verantwortung dafür tragen. Alle, die zu diesem „Wir“ dazugerechnet werden, müssen also ein Geständnis ablegen (es nicht abzulegen oder sich sonst wie der Strafverfolgung zu entziehen oder sich dagegen zu wehren wäre ja nicht gewaltfrei). Und wer sich nicht selbst ans Messer liefert, den denunzieren stellvertretend formelle oder informelle Eliten der „Bewegung“ (so z.B. geschehen beim Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen die Aktion „Tag Y“ und beim Strafverfahren wegen „Öffentlichen Aufrufs zu Straftaten“ auf der GAAA-Homepage).

 

Ziviler Ungehorsam nach dem Verständnis „der Gewaltfreien“


Recht brechen und sich dabei auf Recht berufen – ist das nicht schizophren? Die bewusste Übertretung bestimmter Gesetzen (Hausfriedensbruch, öffentlicher Aufruf zu Straftaten usw.) durch andere Gesetze („Rechtfertigender Notstand“ (§34 StGB), „Völkerrecht bricht gewöhnliches Recht“ usw.) zu rechtfertigen, offenbart ein bizarres Rechtsverständnis. Recht wird grundsätzlich als positiv und begrüßenswert anerkannt, da des den Weltfrieden wahren und die Menschenrechte gewährleisten helfe. Auch einzelne Gesetze werden im Allgemeinen nicht in Frage gestellt. Der Widerspruch zwischen dem vermeintlichen Zweck des Rechts (Frieden zu schaffen) und dem „trotz“ des Rechts bestehenden Ist-Zustand (Krieg und atomare Aufrüstung) wird durchaus wahrgenommen. Seine Ursache wird aber nicht in der herrschafts- und gewaltförmigen Struktur staatlicher Organisation (welche das Recht definiert und sich durch das Recht definiert) gesehen, sondern in der Nicht-Umsetzung der „richtigen“ Verfassungspassagen durch die Regierungen oder der „falschen“ Auslegung von Gesetzen durch die Gerichte.
Das anmaßende Bestreben, selbst Aufgaben staatlicher oder UN-Organe auszuüben, wird sogar unverblümt in Passagen wie „Mitunter verstehen wir uns dabei als ‚ehrenamtliche InspekteurInnen’ des Internationalen Gerichtshofs.“[1] oder [als AngeklageR] „die Anklage gegen die atomare Kriegspolitik der NATO und der Bundeswehr [wenden]“ (im Kontext eines positiven Bezugs auf Recht) [2] dargelegt.

Zu dem Thema sei der Artikel "Ziviler Ungehorsam als Leidensideologie?" (dieser Artikel nimmt Bezug auf den Artikel "Wir kämpfen nicht für Demokratie") aus der graswurzelrevolution 360 (Sommer 2011) zur Lektüre empfohlen.



Update: 2 Leser_innenbriefe als Reaktion auf diesen Artikel und die Antwort auf diese Leserbriefe.




[1] Vorstellung der GAAA (http://www.gaaa.org/vorstellung-de.pdf)
[2] Leserbrief von Toni Schunck in der Leonberger Kreiszeitung vom 2. Februar 2011, dokumentiert in der atomwaffenfrei, März 2011 (Beilage der ZivilCourage) (http://www.gaaa.org/atomwaffenfrei/2011-01.pdf)


Meine Kritik an der GAAA

 

GAAA-Selbstverständnis


Verbot als Ziel


Die GAAA hat sich „das Verbot und die Ächtung von Atomwaffen“ [1] zum Ziel gesetzt. Das klingt erst einmal paradox, denn Atomwaffen sind bereits (implizit) verboten. Das humanitäre Völkerrecht [welch ein Euphemismus für Kriegsvölkerrecht! Wie bitte kann Krieg mit Humanität vereinbar sein?] verbietet „die Verwendung von Gift und oder vergifteten Waffen“ sowie „den Gebrauch von Waffen […], die geeignet sind, [unter der Prämisse, dass Krieg grundsätzlich ein unvermeidliches Übel sei, Anm.] unnötige Leiden zu verursachen“ [2] – auf Atomwaffen trifft sogar beides zu. Daher stelle ich mir die Frage, ob die GAAA (insofern, dass die ein Verbot von Atomwaffen fordert) ein Selbstzweck oder eine Art Beschäftigungstherapie ist, durch die Menschen (mich selbst eingeschlossen) eine Bestätigung erfahren.
Durch das Genfer Protokoll von 1925 wurden Giftgas und biologische Waffen als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg explizit verboten. Ein derartiges Verbot, das Atomwaffen ausdrücklich benennt, existiert jedoch nicht – zu dem Zeitpunkt gab es diese Waffen noch nicht. Der o.g. Widerspruch würde also durch eine Umformulierung zu „das explizite Verbot und die explizite Ächtung von Atomwaffen“ aufgehoben werden, denn so ist dieser Satz tatsächlich gemeint.
Leider wird durch die o.g. Forderung der Eindruck erweckt, ein Verbot von Atomwaffen bestehe überhaupt nicht, bzw. das bestehende implizite Verbot (noch weiter) marginalisiert.
Das implizite Verbot von Atomwaffen ist bis heute faktisch wirkungslos geblieben, und auch das explizite Verbot von B- und C-Waffen ist nicht dazu geeignet, eine BC-Waffen-freie Welt zu schaffen. Warum sollte also ein explizites Verbot von A-Waffen gegen den Klub der fünf legalen Atommächte helfen?


Also doch bereits jetzt völkerrechtswidrig

„Wir halten Gewaltfreien Widerstand für legitim und geboten, da die Stationierung von Atomwaffen nach unserer Auffassung völkerrechtswidrig ist und ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellt.“
Wir“? Ich nicht. Ich halte Widerstand auch dann für legitim und geboten, wenn die Stationierung von Atomwaffen nicht völkerrechtswidrig ist. Für mich ist entscheidend, dass mit Atomwaffen Menschen getötet und grausam verstümmelt werden können und dass bereits der Besitz von Atomwaffen ein Mittel globaler Machtpolitik ist, die unter anderem auch eine zutiefst ungerechte Weltwirtschaftsordnung aufrechterhält.
 „Nach unserer Auffassung“ – es gibt also unterschiedliche Auffassungen von Völkerrecht. Und tatsächlich gibt es so viele Grundlagen des Völkerrechts (UN-Charta, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht, völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrecht, IGH-Gutachten, Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse) mit einander widersprechenden Passagen, dass mensch mit jeweils schlüssigen Argumentationsketten zu den unterschiedlichsten Auffassungen kommen kann. Um die eigene Auffassung von Völkerrecht als allgemeinverbindlich durchzusetzen, muss man entweder ein alternatives Völkerrechtsherrschaftsgebilde (mitsamt all den dem Prinzip Herrschaft innewohnenden Ungerechtigkeiten) errichten oder sich selbst in das bestehende Völkerrechtsherrschaftsgebilde UN (mitsamt all den dem Prinzip Herrschaft innewohnenden Ungerechtigkeiten) zu integrieren.
Wenn die Stationierung von Atomwaffen völkerrechtswidrig ist, warum fordert die GAAA dann trotzdem noch ein Verbot? Warum argumentiert die GAAA gegen sich selbst?

„Massentötung“


Über den Begriff „Massentötung“ stolpere ich auch beim schnellen Überfliegen des Textes. Seine Verwendung anstelle von „Massenmord“ ist m.E. im Zusammenhang mit Atomwaffen unüblich. Ansonsten kenne ich den Begriff nur im Zusammenhang mit Tieren (Straßentiere, Nutzvieh, Jagd).
Eine Abwertung von Atombombenopfern auf das Niveau, das nichtmenschlichen Tieren zugeschrieben wird, ist hier gewiss nicht der Fall. Aber ich glaube auch nicht, dass es sich bei dieser Formulierung um ein Versehen oder bloße Gleichgültigkeit handelt, denn üblicherweise werden derartige Wörter und Formulierungen auf die Goldwaage gelegt. Um das Wort „erkämpfen“ gab es z.B. eine längere Diskussion.
Wenn die Formulierung „Massentötung“ gewählt wurde, damit sich kein Soldat möglicherweise durch die Gleichsetzung von Atombombenabwurf und Massenmord beleidigt fühlt (in Analogie zu „Soldaten sind Mörder“), dann vertritt die GAAA eine reaktionärere Position als die deutschen Gerichte anno 1932 [3].

Besonnenheit?


„Auf besonnene Art und Weise“ – das heißt eigentlich soviel wie überlegt, wohldurchdacht, ruhig und gelassen (im Gegenteil zu impulsiv). Das heißt auch, sich vorher die Konsequenzen seines Handelns klarzumachen, Schaden und Nutzen gegeneinander abzuwägen.
Um eine gute Vorbereitung der ZU-Aktionen kümmert sich die GAAA in der Tat. So gab es die Absprache mit dem militärischen Oberbefehlshaber, dass die Wachsoldaten zwischen den beiden äußeren Zäunen (von insgesamt vieren) keine Waffen tragen, damit eine gewaltfreie Go-In-Aktion nicht durch eventuelle Missverständnisse eskaliert. Ebenfalls wurden die Soldaten durch Flugblätter darüber aufgeklärt, dass sich die Aktionen und Proteste nicht gegen sie persönlich richten und „wir“ sie auch nicht arbeitslos machen wollen, sondern gegen die nukleare Teilhabe und für gesellschaftlich sinnvolle Arbeit als Alternative zum „Arbeitgeber Bundeswehr“.
Das juristische Nachspiel hingegen wird durch die GAAA oder im Rahmen der GAAA leider nur unzureichend durchdacht.


Unzureichende juristische Vor- und Nachbereitung


Die Rechtshilfe beschränkt sich leider weitgehend auf finanziellen Repressionsschutz, die Erläuterung des Standard-Verurteilungsablaufes und die Pflege einer Verurteilungschronik. Wer wenig Geld hat, bekommt seine Anwalts- und Gerichtskosten sowie seine Geldstrafe aus einem Rechtshilfefonds bzw. aus dem „Strafvereitelungsfonds“ erstattet.
Eine Vorbereitung auf einen Gerichtsprozess wie z.B. Workshops oder Hilfestellung für ein selbstbestimmtes Auftreten im Gerichtsgebäude gibt es nicht. Die gesellschaftliche Funktion von Gerichten wird allenfalls oberflächlich, die von Recht und Gesetzen nicht hinterfragt. Dabei ließe sich während des Protestcamps neben einem Clowns-Army-Workshop oder einem In-der-Mitte-vom-Kreisverkehr-„Wall-E“-gucken-Flashmob gut ein Prozesstraining unterbringen. Statt dessen gibt es nur ein wenig Selbstbeweihräucherung und ein paar Pseudo-Argumente, die in den Pressemitteilungen gebetsmühlenartig wiederholt werden.
Bei der Prozessstrategie sind die Angeklagten auf sich allein gestellt, abgesehen von einem kleinen Publikum, das ein Transparent hält, Beifall klatscht und nachher eine Pressemitteilung schreibt (und natürlich, das allerwichtigste: seine Solidarität bekundet). Die Zusicherung, der Angeklagte könne stolz sein, in der Chronik Erwähnung zu finden, hat lediglich symolischen Wert. Neben dem Dogma, Gewaltfreie Aktion beinhalte eine unkritische Zusammenarbeit mit den Repressionsbehörden, ist wahrscheinlich auch dieses Auf-Sich-Gestellt-Sein Grund dafür, dass die Go-In-Aktionen meistens mit einem Geständnis und dem Bezahlen der Strafe enden.

Starre, nicht funktionierende Prozessstrategie


Die Strategie, sich auf den Paragraphen 34 StGB („Rechtfertigender Notstand“) zu berufen, ist wie ein Immer-wieder-mit-dem-Kopf-gegen-die-Wand-Laufen und wird nicht überdacht, weiterentwickelt oder geändert. Dabei hat sie lediglich ein einziges Mal Erfolg gehabt durch einen Freispruch in erster Instanz und dieser wurde in der zweiten Instanz wieder kassiert.
Gerichte sind strukturkonservativ und lassen sich nicht als Bündnispartner für eine bessere Welt gewinnen.

Dogmatische Hinnahme von Strafverfolgung

„Unter Zivilem Ungehorsam verstehen wir Aktionen des Gewaltfreien Widerstands, bei der wir nicht versuchen, einer möglichen Strafverfolgung aus dem Wege zu gehen.“
Dieser Definition von Zivilem Ungehorsam liegt eine eingeschränkte, um nicht zu sagen beschränkte Sichtweise zugrunde, die unterstellt, dass es in jedem Fall sinnvoll sei, eine Strafverfolgung nicht nur einzuplanen, sondern klaglos hinzunehmen. Ich halte es tatsächlich für sinnvoll, einen eventuellen Gerichtsprozess in seine Aktionsvorbereitung einzuplanen. In bestimmten Situationen kann es sogar sinnvoll sein, einer Strafverfolgung nicht aus dem Wege zu gehen, sondern sie absichtlich zum Teil des Aktionskonzeptes zu machen. Aber eine Gerichtsverhandlung sollte immer ein Mittel zum Zweck sein und kein Selbstzweck.
Mit einem Gerichtsprozess kann man einen Erregungskorridor schaffen und diesen mit eigenen Botschaften (Appelle an politisch Verantwortliche oder Appelle für eine Gesellschaft ohne Delegation der Verantwortung für das eigene Leben an irgendwelche „politisch Verantwortlichen“ …) füllen. Aber man sollte sich überlegen, ob man nicht auf andere Art und Weise (z.B. Flashmob, Kunstaktion, verstecktes Theater etc.), die weniger Zeit, Geld und (durch Vorbestraftsein) ggf. Einschränkung der beruflichen oder politischen Karriere kostet, einen Erregungskorridor schaffen oder einen fremden kapern kann.
In diesem Fall steht aber noch nicht einmal eine eigene Strategie dahinter, sondern die Gewaltfreien Aktivisten sollen sich vom Gericht dessen Strategie aufnötigen lassen: Fließbandverurteilung mit Recht auf ein paar Redebeiträge. Amen.

„Zivile Inspektionen“


Sich selbst zu „ehrenamtliche[n] InspekteurInnen“ des Internationalen Gerichtshofes (IGH) zu ernennen, bedeutet an der Ausübung der Macht der internationalen Staatengemeinschaft teilzuhaben. Einer Macht, die durch den Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen (NPT, „Atomwaffensperrvertrag“) dem Klub der fünf Atomwaffenstaaten das Recht zubilligt, diese grausamen Mordwerkzeuge zu besitzen.
Und in dem benannten IGH-Gutachten wird die Frage offengelassen, ob Atomwaffeneinsatz für den extremen Fall der Selbstverteidigung eines Staates, dessen Existenz auf dem Spiel steht, nicht doch ausnahmsweise erlaubt sein könne. Dieses Gutachten ist also ein schlechtes Argument, um nicht zu sagen: Sich darauf zu berufen ist ein Eigentor.

 
[1] Vorstellung der GAAA (http://www.gaaa.org/vorstellung-de.pdf)
[2] Art. 23 in der Anlage der Haager Landkriegsordnung von 1899 und von 1907
[3] Die Aussage „Soldaten sind Mörder“ stammt aus „Der bewachte Kriegsschauplatz“ von Kurt Tucholsky. 1932 wurde der Verleger Carl von Ossietzky wegen „Beleidigung der Reichswehr“ angeklagt und freigesprochen, weil eine unbestimmte Gesamtheit nicht beleidigungsfähig sei. Und den Gerichten der damaligen Zeit konnte man nicht vorwerfen, sie wären von Gutmenschen und Wehrkraftzersetzern unterwandert gewesen. 1994 und 1995 kam das Bundesverfassungsgericht zu einer ähnlichen Auffassung und hob erstinstanzliche Verurteilungen auf.


Selbstzensur – notwendig um ernstgenommen zu werden oder kontraproduktiv?


"Nur wer das Unmögliche fordert wird das Mögliche erreichen,
denn wer stets nur das Mögliche fordert wird überhaupt nichts erreichen."
Michail Aleksandrovič Bakunin
(1814 - 1876 / Philosoph, anarchistischer Revolutionär)

Es ist keineswegs so, dass in der GAAA nur §§-Fans aktiv sind. Viele GAAAler_Innen lehnen Atomwaffen nicht in erster Linie deshalb ab, weil sie sie für völkerrechtswidrig halten, sondern weil sie abscheuliche Mord- und Folterinstrumente sind. Und auf dem Protestcamp habe ich Leute kennen gelernt, in deren Utopie nicht nur A-Waffen und Kriege, sondern auch Armeen, Grenzen, Gesetze, Chefs, Uniformen, Geld, Strafen usw. keinen Platz haben. Dennoch ist die Argumentation ganz auf das Argument (Völker-)Recht fixiert.

Diese Selbstzensur wird dadurch gerechtfertigt, dass „wir“ sonst nicht von der Öffentlichkeit und den politisch Verantwortlichen ernstgenommen würden und statt des Wenigen überhaupt nichts erreichen würden. Wenn Pazifisten oder gar Anarchisten gar nicht ernstgenommen würden, dann könnten sie doch am besten gleich aufgeben. Denn wer seine Argumente zensiert und seine Ziele nicht ausspricht, der kann keinen überzeugen und seine Ziele nicht verwirklichen. Wer sich seine Argumente und Utopien jedoch nicht vom Mainstream diktieren lässt, wird zwar auch nicht die Weltrevolution vom Zaun brechen, aber kann wenigstens eine Handvoll Menschen für sich gewinnen. Daher ist es fatal, sich von Chefredakteur und Leserkreis der regionalen Tageszeitung abhängig zu machen. Es gibt genug andere Möglichkeiten, seine Meinung kundzutun (eigene Publikationen, Blogs, Flugblätter, Demos, Straßentheater, Diskussionsveranstaltungen, Aufkleber, Graffiti, Plakate, Infotische, persönliche Gespräche mit interessierten Passant_innen etc.) und von einem Teil der Öffentlichkeit wahr- und ernstgenommen werden. Und auch ein radikaler Leserbrief kann es in eine Regionalzeitung schaffen, um zusammen mit Antwortleserbriefen eines echauffierten konservativen Stamm-Abonnenten und einer kritischen Demokratin das Sommerloch zu füllen (welches in Cochem wahrscheinlich so ungefähr das ganze Jahr lang dauert).

Einen Erfolg vor Gericht durch wohlwollende Richter zu erwarten, wenn man sich auf eine rein formaljuristische (noch nicht einmal Verteidigungs-, sondern lediglich Rechtfertigungs-)Strategie beschränkt, ist naiv. Natürlich gibt es Richter, Staatsanwälte, Polizisten, die Atomwaffen ablehnen (bestimmt nicht wenige) und vielleicht sogar ZU-Aktionen dagegen befürworten. Nur deren persönliche politische Meinung ist Banane, die haben ihren Job zu erfüllen und uns Aktivistis zu verknacken. Und wenn ein Richter nicht spurt, sondern aus persönlicher Ablehnung von Atomwaffen oder gar Sympathie Aktivistis freispricht, hat er bei seinen Kollegen und Vorgesetzten verschissen und kann seine Karriere knicken.

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